Evelyne goes to Japan

Über mich

Mein Name ist Evelyne und ich habe 2013/14 elf Monate als Austauschschülerin in Japan verbracht.

 

In diesem Blog habe ich die Erlebnisse während dieses Jahres festgehalten. Ihr findet hier Berichte vom ersten Schultag bis hin zu meiner Rückkehr nach Hause. Fühlt euch frei, ein paar Kommentare zu hinterlassen oder die Bilder in meiner Bildergalerie zu betrachten. Viel Spass!

 

So

06

Jul

2014

Abschied eines Freundes

Sendai, Hauptbahnhof. Montagmorgen, 8 Uhr.

An jedem anderen Montagmorgen sässe ich um diese Zeit bereits in der Bibliothek meiner Schule und würde vor Beginn der Lektionen noch ein paar Kanji büffeln - doch an jenem Montagmorgen hatte ich für einmal ganz andere Dinge im Kopf; Dinge, die ich den ganzen Monat über in Gedanken schon völlig verdrängt hatte.

Abschied.

Nichts weiter als ein Wort, und doch soviel mehr als das. Abschied nehmen bedeutet Tränen. Hoffnung. Zweifel. Ein Schritt ins Unbekannte, gefolgt von tausenden von unbeantworteten Fragen. Den meisten von euch ist dieses Gefühl wohl von irgendwoher bekannt; und wer wie ich schon ein Austauschjahr hinter sich hat, der wird wahrscheinlich wissen, wie schwer Abschied nehmen manchmal sein kann.

Was mich betrifft: Ich mag Abschiede nicht. Ein Abschied ist auch immer auch eine Wendung, eine Veränderung, ein Schnitt in der Zeit, die man mit einem geliebten Menschen, einem Freund oder Bekannten verbracht hat. Es hat irgendwie etwas Endgültiges an sich, auch wenn es manchmal nur ein "Bis bald!" ist. 

Und doch war der Grund, weshalb ich mich an jenem Montagmorgen in einen mit Menschen vollgestopften Zug quetschte und mich auf den Weg zum Hauptbahnhof machte, ein Abschied. Der Abschied eines Freundes, um genau zu sein, von jemandem, der in meinem Austauschjahr genauso dazu gehört hatte wie die Miso-Suppe zum Frühstück. Vielleicht erinnern sich einige von euch noch daran, wie ich gesagt habe, dass ich an meiner Schule nicht die einzige Austauschschülerin war. Wir waren anfangs zu dritt, am Ende jedoch nur noch zu zweit, weil einer von uns nach einigen Problemen frühzeitig heimgeschickt wurde (lange Geschichte...). Und wie es das Schicksal will, würde nach diesem Montagmorgen nur noch einer von uns übrig bleiben.

Da stand ich nun also an der Plattform, an der vor knapp einem Jahr mein Leben in Sendai begonnen hat, und blickte in die tränenerfüllten Gesichter meiner Klassenkameraden, Lehrer und der Gastfamilie meines Freundes. Er war aus Mexiko nach Japan gekommen und hatte anfänglich nichts als Probleme in meiner Schule verursacht, bis er sich schliesslich zu verändern begonnen hatte und am Ende des Jahres praktisch ein anderer Mensch geworden war. Ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass es ihm schwer fiel, zurückzukehren. Er weinte, genau wie wir alle auch. Und als er schlussendlich in den Shinkansen stieg und uns vom Fenster aus ein letztes Mal zuwinkte, begann ich, wie schon so oft in diesem Jahr, zu begreifen, dass wohl nichts für immer ist.

Es fällt mir schwer mir vorzustellen, dass ich in etwas weniger als einer Woche diejenige sein werde, die im Innern des Shinkansens sitzen wird; auf dem Weg in ein Leben, das mir in den letzten 10 Monaten so seltsam fremd geworden ist. Ich weiss nicht, was mich erwarten wird, doch das ist schon in Ordnung so. Eine Woche bleibt mir ja noch, und die werde ich so gut wie möglich zu nutzen versuchen.

Und dann? Dann werde ich zurückkehren. Zurück nach Hause, zurück zu meiner Familie, zu meinen Freunden, zu allem, was ich vor einem Jahr zurückgelassen habe. Dann wird sich der Kreis wieder schliessen und die Dinge, die ich hier in Japan erlebt habe, werden nichts mehr sein als wunderschöne Erinnerungen, an die ich immer mit einem Lächeln zurückdenken kann. :)

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