Das lange Warten

Ich warte.

Das ist das Los eines jeden Austauschschülers. Warten auf die Fertigstellung des Anmeldeprozesses. Warten auf die Annahme durch das zukünftige Gastland, auf die Unterlagen für das Visum. Warten auf die Gastfamilie und den genauen Standort, an dem man sich schlussendlich befinden wird. Warten bis zum Abflug und dem Tag, an dem es endlich losgeht.

 

Insgesamt warte ich nun schon seit mehr als einem ganzen Jahr.

Im Juni 2012 habe ich damit begonnen, die allerersten Dokumente für meine Anmeldung auszufüllen, kurz nachdem ich mich für ein Austauschjahr entschieden hatte. Damals wusste ich noch nicht genau, was alles auf mich zukommen würde - es war vielmehr eine "Ich mach dann mal und schau was passiert"-Entscheidung; eine Entscheidung, die ich bis heute noch keine Sekunde bereut habe.

 

Ein Jahr - das kommt einem so lange vor. Ziemlich viele Dinge sind in dieser Zeit passiert und mein Austauschjahr ist mit kleinen, aber stetigen Schritten immer näher gerückt. Nun sind es noch knapp 51 Tage bis zu meinem Abflug und genau jetzt habe ich das plötzliche Gefühl, ich könne es keinen Tag länger mehr aushalten.

"Jetzt hast du ein ganzes Jahr lang gewartet - was sind da schon zwei Monate im Vergleich?", denkt ihr jetzt vielleicht. Na ja, es sind eben nicht einfach "nur" zwei Monate; es sind genau die Monate, die alles entscheiden und (hoffentlich) alle noch offen stehenden Fragen beantworten werden: Wo genau werde ich landen? Wie sieht meine Gastfamilie aus? Wann kann ich mein Visum abholen? Und wie um alles in der Welt soll ich mein ganzes jetziges Leben in einen Koffer mit 20kg-Limite pressen?

 

Ja, ich gebe es zu: Langsam beginnt diese ganze Warterei echt an meinen Nerven zu zerren. Es sind nicht nur diese Fragen, die mir Sorgen machen, sondern vor allem dieses ständige Gefühl des Näherkommens im Nacken: Jeder Tag, der verstreicht, ist ein Tag weniger Zuhause und ein Tag näher an Japan. Es ist kein unangenehmes Gefühl; es fühlt sich aufregend an, prickelnd. Aber manchmal macht es mir auch irgendwie Angst. Was, wenn ich bis zu meinem Abflug noch keine Gastfamilie gefunden haben werde? Was, wenn mein Japanisch noch viel zu schlecht ist, wenn ich abfliege? Und was, wenn plötzlich etwas dazwischen kommt und ich doch nicht gehen kann? Je länger ich warte, desto mehr drängen sich diese Gedanken in mir auf - und treiben mich beinahe in den Wahnsinn. Diese Ungewissheit darüber, was in genau diesen zwei Monaten noch passieren könnte (oder eben nicht), ist das Allerschlimmste an der ganzen Sache.

 

Was ich dagegen tue? Gar nichts, eigentlich. Ich warte weiter und versuche mich währendessen irgendwie von allem abzulenken - mit mehr oder weniger Erfolg. Ich lese Blogs von andern Austauschschülern im Internet, tausche mich mit meinen Freunden aus dem Vorbereitungslager aus und versuche meine Sommerferien zu verplanen, damit ich möglichst keine Zeit haben werde über all diese Dinge nachzudenken. Zur Ausnahme mal funkti0niert das auch ganz gut: Wenn ich all die Leute besuchen werde, die ich vor meinem Abflug unbedingt noch einmal sehen möchte, werde ich wohl die ganzen Ferien über beschäftigt sein.

 

Und dann? Dann warte ich weiter.

51 Tage...

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Kommentare: 2
  • #1

    Anna (Dienstag, 02 Juli 2013 22:10)

    Hallo Evelyne!:)
    Toller Eintrag, er erklärt ziemlich genau das, was ich im Moment auch fühle...abwarten, wir bekommen schon noch eine Gastfamilie:)

  • #2

    evelynegoestojapan (Dienstag, 02 Juli 2013 22:14)

    Hoi Anna :)
    Ich glaube, da geht es allen Austauschschülern ziemlich gleich - aber hey: Wenigstens sind wir nicht alleine. ;)