Schulreise

Vom 17. bis 21. November packte ich wiedermal meine Sachen und verreiste mit meiner ganzen Klassenstufe für eine Woche nach Kyoto und Osaka. Shugakuryokou wird das hier genannt, also „Schulreise“ – auch wenn es sich in meinen Augen vielmehr wie eine Touristenfahrt anfühlte als eine tatsächliche Schulreise...

Sonntag

Ich muss zugeben, dass es sich wirklich seltsam anfühlte, das Haus meiner Gastfamilie zu verlassen – ohne eigentlich genau zu wissen, was auf mich zukommen würde, denn natürlich hatte ich keine Ahnung, was die japanischen Schüler unter einer „Schulreise“ verstanden. Dementsprechend nervös war ich also, als ich mich am Sonntagmorgen um 7 Uhr mit meinen Klassenkameraden in Sendai Station versammelte. Zuerst ging es mit dem Shinkansen nach Tokyo – das kannte ich ja bereits von meiner Ankunft in Japan – und anschliessend nach Kyoto. Es war interessant, nochmal an den gleichen Orten wie damals vorbeizugehen und zu realisieren, dass ich nun bereits viel mehr von den vielen Schriftzeichen auf den Anzeigetafeln verstehen kann als vor drei Monaten noch. Diese Feststellung, die gute Laune meiner Klassenkameraden und das schöne Wetter beim Vorbeifahren am Fuji-san auf dem Weg nach Kyoto schaffen es, mich wiedermal in total euphorische Stimmung zu versetzen – wie schon so oft in Japan. :)

Fuji-san
Fuji-san

Als wir irgendwann am späteren Nachmittag schliesslich in Kyoto ankamen, ging es nicht wie erwartet zuerst in die Unterkunft. Nein, eigentlich war das viel eher der Zeitpunkt, an dem das Programm richtig losging. Unseren ersten Halt machten wir am Kinkakuji, dem Tempel aus purem Gold, gefolgt vom Kyomizudera, der mit Touristen so überfüllt war, dass man sich kaum mehr bewegen konnte. Die Zeit war natürlich ebenfalls knapp und so tat ich es all meinen Klassenkameraden gleich und schoss Bilder, was das Zeug hielt. Das Klischee, dass Japaner das Fotografieren lieben, hat sich dabei auch gleich noch bestätigt: Meine Schule hat doch tatsächlich einen Fotografen für die Reise organisiert!

Kinkakuji
Kinkakuji

Nach der ganzen Besichtigungstour machten wir erst einmal einen Abstecher nach Osaka. Inzwischen war es dunkel geworden, doch der Tag war noch lange nicht vorbei. Zuerst einmal ging es zur Spitze eines hohen Gebäudes, wo zu Abend gegessen wurde, und anschliessend auf eine Aussichtsplattform, von der aus man einen grandiosen Überblick auf die Skyline von Osaka hatte. Eine unglaubliche schöne Stadt übrigens, die ich unbedingt mal zu einem anderen Zeitpunkt wieder besuchen gehen will.

Um halb 9 Uhr abends hatten wir die ganzen Strapazen dann hinter uns und machten uns endlich auf den Weg ins Hotel. Ja, ihr habt richtig gelesen: ein Hotel. Ich weiss nicht genau, ob das nur meine Schule ist oder ob das in Japan wirklich so üblich ist, aber witzig ist es allemal, eine Bande von pubertierenden Jugendlichen während der Schulreise in einem Vier-Sterne-Hotel unterzubringen...

Montag

Das strikte durchorganisierte Programm ging am nächsten Tag weiter und liess mich sogleich in eine fiese Kulturfalle tappen... Abgemacht gewesen wäre eigentlich, um 6 Uhr 45 im Frühstücksraum zu erscheinen, was ja an sich noch kein Problem gewesen wäre, wäre ich eben nicht in Japan. Ihr könnt euch ja vorstellen, wie überrascht ich war, als ich mir fünf Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt eine Schimpfpredig (auf japanische Art natürlich, versteht sich...) von meiner Lehrerin anhörten musste, weil ich das Zimmer noch nicht verlassen hatte. Sie erklärte mir dann zu meiner grössten Verwirrung, dass bereits alle im Frühstücksraum wären und nur noch auf mich warten würden, weil ich ja soviel zu spät sei. Verstanden habe ich das nicht wirklich, aber wenigstens weiss ich jetzt, dass es tatsächlich ein Volk gibt, das auf Pünktlichkeit noch mehr Wert legt als die Schweizer... ;)

Nach dem Frühstück ging es wieder auf Sightseeing-Tour, diesesmal in die Nara-Region. Dort besuchten wir nacheinander das erste japanische Kulturerbe, den Hourjouji, und dann den Yakushiji Tempel mit seinen wunderschönen Pagoden.

Yakushiji
Yakushiji

 Das Mittagessen gab es in einem Park, der ebenfalls wieder mit einer Menge Tempel und anderen faszinierenden Gebäuden übersät war. Das wirklich Witzige an diesem Park waren aber die vielen Rehe, die dort praktisch überall aufzufinden waren und die man sogar streicheln konnte. Allein die Reaktionen der japanischen Mädchen, die laut schreiend davon rannten, wenn ihnen ein Reh zu nahe kam, waren eine Attraktion für sich... :)

Der letzte Besichtungsort auf unserem Plan und mein persönlicher Höhepunkt war der Toudaji Tempel. In dessen Innern konnte man eine riesige Buddha-Staute besichtigen: 15 Meter hoch und umgeben von andern mächtigen Statuen, bei denen man aus dem Staunen kaum mehr herauskommen konnte. Einfach unbeschreiblich eindrucksvoll...

Toudaji
Toudaji

Dienstag

Der Tag begann erneut mit einer Verspätung – diesesmal aber nach dem Frühstück. Glücklicherweise war es jedoch zur Ausnahme mal nicht meine Schuld sondern die meiner Lehrerin, welche die ganze Organisation etwas durcheinander gebracht hatte. Peinlich war es aber so oder so...

Wieder standen eine ganze Reihe von Tempeln auf dem Programm, aber diesesmal hatten wir überraschend viel Freizeit. Morgens ging es zuerst nach Kyoto und dort in einen kleinen Wald aus Bambus, der wirklich beeindruckend schön war. Leider konnten wir auch dort nur kurz verweilen, denn das Programm musste natürlich minutengenau eingehalten werden. ;)

Bambuswald
Bambuswald

Anschliessend ging es mit dem Bus weiter. Im Grunde genommen fuhren den ganzen Tag lang nur noch von einem Souvenirshop zum nächsten, um die Kaufwut der japanischen Schulmädchen zu stillen und wieder hunderte von Bildern zu schiessen. Der interessanteste Teil davon war wahrscheinlich der Nachmittag, als wir einige Stunden lang in Kyoto shoppen gehen durften und endlich wieder ein wenig Freiheit geniessen konnten. :)

Gekauft habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich viel – jedenfalls nicht im Vergleich zu meinen Klassenkameraden, die einen Laden nach dem andern stürmten. Dafür habe ich mir aber von einer Strassenkünstlerin ein Portrait anfertigen lassen; etwas, das ich schon lange einmal machen wollte. Das Resultat ist ziemlich gelungen, finde ich.

Portrait
Portrait

Nachdem der letzte Tempel auf dem Programm abgehakt war, ging es mit dem Bus wieder zurück Richtung Osaka. Wusstet ihr, dass man in Japan sogar in normalen Reisecars Karaoke singen kann? Also ich nicht – aber ich finde, so etwas dürfte man ruhig auch in der Schweiz einführen. Meine Klassenkameradinnen jedenfalls haben sofort Hundertprozent gegeben – und sogar die Lehrer machten alle mit. Da war natürlich klar, dass ich mich nicht vor einer Singeinlage drücken konnte. Die war zwar – weil ich ja eher mässig talentiert bin – ziemlich schlecht, aber geklatscht und gejubelt haben trotzdem alle. Japaner eben. ;)

Irgendwann gegen halb 7 assen wir dann in einem edlen Restaurant zu Abend, was – meiner Meinung nach – wieder einmal viel zu übertrieben war. Wenigstens gab es dort aber westlichen Essen – eine schöne Abwechslung zu jeden Tag Reis und Misosuppe.

Mittwoch

Dies war der Tag, an dem wir endlich unser eigenes Programm zusammenstellen durften. Gemeinsam mit einer Gruppe von Schulfreundinnen ging es also ins Universal Studio Japan.

USJ
USJ

Was ich mir als gemütlicher Tag in einem Vergnügunspark vorgestellt hatte, verwandelte sich blitzschnell in eine endlos lange Shoppingtour, als meine Freundinnen damit begannen, einen Laden nach dem andern abzuklappern. HelloyKitty, Sesam-Strasse und sogar Snoppy: Für jeden Charakter, der auch nur ein bisschen bekannt ist, gab es einen eigenen Laden. Natürlich mussten meine Freundinnen in jedem dieser Läden irgendetwas kaufen, weil alles so „kawaii“ (=niedlich) war und sie anscheinend endlos viel Geld dabei hatten, dass sie sich an den völlig überteuerten Preisen überhaupt nicht störten. Ich versuchte mich zwar dem Shopping-Stil der japanischen Mädchen anzupassen, aber schlussendlich musste ich einsehen, dass all das einfach nichts für mich ist. Gekauft habe ich übrigens auch nichts – was meine Freundinnen dann wiederum überhaupt nicht verstehen konnten. Gefallen hat es mir aber trotzdem, auch wenn mir die Kulturunterschiede zwischen Japan und der Schweiz wiedermal sehr deutlich bewusst wurden.

Donnerstag

Heute stand nicht vielmehr auf dem Programm als die Heimreise, denn von Kyoto bis nach Sendai ist es ein ziemlich weiter Weg. Nach dem morgendlichen Packen und dem Aufräumen der Zimmer verliessen wir das Hotel und machten nochmals einen Abstecher zum hohen Gebäude in Osaka, das wir bereits am ersten Tag besichtigt hatten. Die Aussicht war wirklich völlig anders bei Tageslicht und fast noch beeindruckender als bei Nacht.

Osaka
Osaka

Anschliessend ging es zum Bahnhof, wo noch einmal eine letzte Shoppingtour eingelegt wurde. Danach stiegen wir in den Shinkansen und fuhren wieder nach Hause. Insgesamt dauerte die ganze Rückfahrt ein bisschen weniger als sechs Stunden – was uns viel Zeit gab, den verlorenen Schlaf der letzten Tage aufzuholen. Ich war trotzdem völlig erschlagen, als wir irgendwann gegen Abend endlich in Sendai ankamen; erschlagen, aber glücklich mit dem Kopf voller schöner Erinnerungen, die mir hoffentlich ein Leben lang bleiben werden. :)

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