Schnee, Spenden & scharfes Essen

Als ich am Samstagmorgen erwachte und einen verschlafenen Blick nach draussen warf, traute ich meine Augen kaum: Schnee! Auch wenn es zugegebenermassen nicht vielmehr als ein bisschen weisser Matsch war, konnte ich gar nichts anders, als in meinem Zimmer einen kleinen Freudentanz aufzuführen und sofort hundert Fotos zu schiessen. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber: Ich habe ihn wirklich vermisst, den Schnee. Ohne ihn ist ein Winter eben doch kein richtiger Winter, auch wenn im Frühling dann die meisten doch froh sind ihn wieder loszuwerden. ;)

Weil meine Gasteltern beide arbeiteten und meine Schwester zur Schule musste, war ich den ganzen Tag lang alleine Zuhause. Die vielen freien Stunden nutze ich vorwiegend dazu, wieder mal eine gründliche Kanji-Repetition zu machen (unglaublich, wie schnell man die wieder vergisst...) und es mir mit ein paar Weihnachtsfilmen vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Gegen Abend packte ich dann schliesslich meine Sachen und wurde von der Chapter-Präsidentin meiner Austauschorganistation abgeholt. Weil ich nach deren Regeln nicht nachts alleine im Haus bleiben darf, würde ich die Nacht bei ihr verbringen.

Zuerst ging es gemeinsam zu einem Spende-Anlass für die Philippinen, die ja vor knapp einem Monat vom verheerenden Taifun „Haiyan“ getroffen wurden. Eine kleine Gruppe von Austauschstudenten hatte diese Aktion zu Stande gebracht und bewegte die Leute mit Spielen, Auktionen und traditionellem Essen zum Spenden. Für mich war der Anlass deshalb so speziell, weil enorm viele Ausländer dort waren und ich mir für einmal nicht als anders oder auffällig fühlen musste. Mich faszinierte vor allem die Vielfalt der Kulturen, die dort zusammentraf; Türkei, Indien, England, Spanien und sogar Vertreter aus Nepal waren dabei. Ich finde es immer wieder spannend, auf andere gaijin, also Ausländer, zu stossen; Leute mit denselben Erfahrungen und Erlebnissen, Leute, die genau wie ich in fast jedes Fettnäpfchen getreten sind, das es in Japan gibt – und glaubt mir, das sind nicht wenige... ;)

Ebenfalls faszinierend fand ich die Spendebereitschaft der Japaner, die alle an jedem einzelnen Spiel des Abends teilzunehmen schienen, um noch ein bisschen mehr für die Philippinen zu spenden. Als ich dann den Informationsfilm zum Anlass sah, wurde mir auch sofort klar warum: Sendai selbst war vor zwei Jahren in einer ähnlichen Situation, als das Erdbeben und der Tsunami grosse Teile der Stadt verwüstete. Damals waren die Japaner auf Spenden angewiesen – und nun geben sie das zurück, was einst für sie getan wurde.

Irgendwann am späteren Abend kehrten wir bei heftigem Schneefall dann nach Hause zurück – also zum Haus der Chapter-Präsidentin – und unterhielten uns dort bei heissem Kakao über Gott und die Welt. Zuerst hatte ich einige Bedenken, was ich überhaupt sagen sollte – schliesslich sprach ich mit einer der höchsten Personen meiner Austauschorganisation – doch die verschwanden schnell, als wir über die Unterschiede zwischen Japan und der Schweiz zu reden begannen. Dabei vergassen wir völlig die Zeit, sodass es schon beinahe Mitternacht war, als wir schliesslich schlafen gingen. Das sonst übliche abendliche Bad liessen wir dafür ausnahmsweise sausen und verschoben es auf den nächsten Morgen.

In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal seit unglaublich langer Zeit wieder auf einem richtigen Bett und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut sich das – trotz der für japanische Häuser typischen Kälte im Winter – anfühlte. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe meinen Futon. Aber manchmal ist es einfach wieder schön, anstelle auf Tatamimatten wieder über dem Boden schlafen zu können; so, wie ich es mir eben aus der Schweiz gewöhnt bin. :)

Am nächsten Morgen überraschte mich die Familie mit Pfannkuchen und Ahorn-Sirup zum Frühstück, was mir plötzlich das Gefühl gab, mich in Amerika und nicht in Japan zu befinden. Nach dem morgendlichen Abend-Bad ging es dann auch schon direkt wieder los ins Stadtzentrum von Sendai, wo wir in einem Tai-Restaurant zu Mittag assen. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich ja immer, dass mir scharfes Essen nicht so viel ausmachen würde – aber da hatte ich ja noch nie von diesem Tai-Curry gegessen. Das war so scharf, dass sich mein Hals und mein Mund anfühlte, als würden sie brennen und meine Nase plötzlich von ganz alleine zu laufen begann. Lecker war das Curry trotz allem, auch wenn ich sein Nachgeschmack selbst beim Schreiben dieses Blogeintrags noch deutlich auf der Zunge spüren kann...

Nach einer kleinen Shoppingtour um Sendai Station kam ich schliesslich wieder heil bei meiner Gastfamilie an, wo ich mich erst einmal daran machte, mich schnell am Kotatsu aufzuwärmen. Mir geht es hier in Japan immer noch Bestens und obwohl es ja heisst, dass viele Austauschschüler an Weihnachten Heimweh bekommen, ist bei mir im Moment noch gar nichts Derartiges in Sicht. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Festtage und die Ferien, wenn ich dann zum ersten Mal den Norden Japans erkunden gehen werde. Und wer weiss, vielleicht erlebe ich dieses Jahr ja doch noch weisse Weihnachten... :)

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