Weihnachten in der Fremde

Ich wusste, dass Weihnachten dieses Jahr anders werden würde. Ehrlich gesagt hatte ich mir nicht wirklich viele Gedanken gemacht über das, was auf mich zukommen würde. Der Grund dafür war wahrscheinlich vor allem meine fehlende Weihnachtsstimmung, die grösstenteils daraus resultierte, dass man „das Fest der Liebe“ in Japan so gut wie gar nicht feiert. Um trotzdem etwas von der schönsten Zeit des Jahres ins Land der aufgehenden Sonne zu bringen, durfte ich den seit Ewigkeiten ungenutzten Christbaum meiner Gastfamilie im Wohnzimmer aufstellen und dekorieren. Knallige Lichter und Plastik-Zweige waren zwar nicht das, was ich mir unter wirklicher Weihnachtsstimmung vorstellte, aber ich fand trotzdem schnell Gefallen daran. Schliesslich war ich ja nicht nach Japan gekommen um zu erleben, was ich in der Schweiz sowieso schon hatte, oder? ;)

Ich sah den Festtagen also eher gelassen entgegen und machte mir keine allzu grossen Erwartungen. Als ich jedoch am Morgen des 24. die Augen öffnete, konnte ich meine Enttäuschung kaum verbergen: Der Schnee der letzten Tage war verschwunden und die Strassen um unser Haus wieder grau und trostlos; von weihnachtlicher Stimmung weit und breit nichts zu sehen. Meine Stimmung sank noch weiter, als ich plötzlich eine SMS von meinen Freunden bekam: Das geplante BBQ am Meer war abgesagt. Alternative? Der Zoo.

Ich weiss nicht genau wieso, aber als ich das las, konnte ich mir das Lachen zuerst nicht zurückhalten. Auf eine seltsame Art und Weise erschien es mir völlig ironisch, an diesem Tag, ausgerechnet am 24., an Heilig Abend, in den Zoo zu gehen; etwas, das man an jedem anderen Tag des Jahres auch tun konnte. Das machte mir einmal mehr bewusst, dass Weihnachten in Japan dies eben genau war: Ein normaler Tag wie jeder andere auch.

Kurz vor Mittag machte ich mich also auf den Weg nach Sendai Station; im Ohr ein paar Weihnachtslieder, die mich aber irgendwie doch nicht so ganz einstimmen konnten. Endlich am Bahnhof angekommen, traf ich mich schliesslich mit einem Freund aus der Schule. Der andere Austauschschüler, mit dem wir uns treffen wollten, würde sich eine Stunde verspäten, erklärte er mir, nachdem ich überrascht festgestellt hatte, dass er alleine gekommen war. Weil wir sowieso nichts Besseres zu tun hatten, eilten wir zusammen etwas orientierungslos durch die vielen Shoppingstrassen in der Nähe des Bahnhofes, um ein Geschenk für meine Gastschwester zu finden. Ich wusste zwar, was ich ihr schenken sollte, aber dank meinen beschränkten Orientierungsfähigkeiten dauerte es eine ganze Weile bis wir endlich den richtigen Laden gefunden hatten. Schlussendlich mussten wir uns dann beeilen, um rechtzeitig zum verabredeten Treffpunkt zu kommen. Mit einer Stunde Verspätung machten wir uns also endlich auf den Weg zum Zoo, um sich dort mit einer weiteren Freundin zu treffen. Allerdings wartete dort bereits die nächste Überraschung auf uns: Der Zoo war nämlich geschlossen. Ausserordentliche Ferien oder sowas.

Tja, was nun? Wir befanden uns praktisch am andern Ende der Stadt in einer Gegend, wo es neben dem Zoo nicht vielmehr als die Häuser der Reichen zu betrachten gab. Unsere Pläne waren also erneut ins Wasser gefallen.

しょうがない(shou ga nai), sagten wir uns also; „man kann es nicht ändern“, und machten uns auf den Weg ins nächste Restaurant. Dort verteilte ich meine Geschenke an meine Freunde, die allesamt grosse Augen machten, weil das in Japan ja eigentlich nicht üblich ist. Gefreut haben sie sich aber natürlich trotzdem.

Nach dem Essen nahmen wir den ganzen langen Weg zurück zum Bahnhof wieder auf uns und eilten von dort aus erneut in die Shoppingstrassen. Diesesmal nicht um Geschenke zu kaufen, sondern uns vor dem Weihnachtstag selbst etwas zu gönnen: Eine echte Weihnachtsmannmütze. Ich weiss nicht, wer auf diese Idee gekommen ist – ich auf jeden Fall nicht... ;)

Doch auch hier lief nicht alles wie geplant: Weihnachtsmützen fanden wir zwar, aber keine roten mehr, weil die bereits alle ausverkauft waren. Nun gut, dann mussten eben blaue Mützen für unsere „Weihnachts-Purikura“ hinhalten. Shou ga nai, oder?

Mit viel Gelächter und einigen witzigen Fotos ging also der Heilig Abend zu Ende wie ein völlig normaler Tag – und doch irgendwie nicht, würde er mir auf jeden Fall als das wohl einzigartigste Weihnachtsfest meines Lebens in Erinnerung bleiben. Und sonst? Ich kann nicht sagen, dass ich dieses Jahr wirklich jemals in Weihnachtsstimmung war oder tatsächlich gefeiert hätte, aber genossen habe ich die Festtage trotzdem in vollen Zügen. Umso mehr freue ich mich jetzt aufs Neujahr, das ja in Japan gross gefeiert werden soll, und die restlichen Ferientage.

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Kommentare: 1
  • #1

    Pius & Eliane (Dienstag, 31 Dezember 2013 22:20)

    Mit Interesse haben wir die spannenden Blogeinträge im 2013 gelesen und freuen uns auf die Kommenden im 2014. Unsere besten Wünsche an dich nach Japan!
    Eliane und Pius