Was es bedeutet, ein Austauschschüler zu sein

Ich bin vom Kurzem über den Blog eines anderen Austauschschülers gestolpert und habe dort einen Eintrag gefunden, der in meinen Augen ziemlich genau beschreibt, was es eigentlich bedeutet ein Austauschschüler zu sein. Natürlich will ich euch diesen Text nicht vorenthalten, also habe ich ihn für euch frei auf Deutsch übersetzt. Das Original könnt ihr HIER nachlesen.

 

Mir wird oft die Frage gestellt: „Was tun Austauschschüler überhaupt?“ Nun, um ehrlich zu sein: Es ist mehr, als man erwarten würde, aber ich fasse es mal in einem Wort zusammen: Leben.

Ich will mich ja nicht selbst loben, aber Austauschschüler sind wahrscheinlich die aussergewöhnlichsten Menschen, die du je in deinem Leben treffen wirst. In uns allen steckt der unstillbare Drang, die Welt erkunden zu wollen und dabei mehr zu werden als wir jetzt sind. Wir reisen, um soviele Teile der Welt zu sehen wie wir nur können. Wir sind nicht damit zufrieden, lange an einem Ort zu bleiben.

Was wir tun? Wir lernen. Wir lassen alles, was wir bisher kannten, hinter uns. Wir erkunden. Wir knüpfen Beziehungen mit Menschen auf der ganzen Welt. Wir überwinden Grenzen. Wir unterrichten andere. Wir werden zu etwas, das wir nie für möglich gehalten hätten. Wir verändern uns. Wir passen uns an.

Wir sind die Verrückten, welche sich plötzlich mitten in einem völlig fremden Land widerfinden, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was eigentlich los ist. Wir werden zu den Menschen, von denen unsere Eltern immer gehofft haben, dass wir sie eines Tages werden. Doch vor allem tun wir eins: Wir entwickeln uns.

Viele Menschen vergleichen die Erfahrungen eines Austauschschülers mit den Herausforderungen, denen man sich stellen muss, wenn man in eine neue Stadt zieht – aber glaubt mir, es ist um einiges schwieriger als das. Die meisten von uns sind mindestens 5000 Kilometer von „Zuhause“ entfernt und verbringen Monate damit, ihre Entscheidung hierher ins Ungewisse zu kommen, in Frage zu stellen. Nach dem Überwinden des anfänglichen Schocks begreifen wir allmählich, dass wir uns nirgendwo anders mehr vorstellen könnten. Wir lernen Sprachen; sogar solche, die nicht mit der Kultur verbunden sind, in welcher wir aufgewachsen sind. Wir erweitern unser Wissen der Welt und wollen nichts anderes, als es mit andern Menschen zu teilen.

Wir nehmen an Unterricht in fremden Sprachen teil und haben keine Ahnung, was eigentlich vor sich geht, aber trotzdem versuchen wir, es uns irgendwie noch ungemütlicher zu machen. Es gefällt uns, wenn es ungemütlich ist. Wir realisieren, dass wir mehrere Orte haben, die wir Zuhause nennen können. Es gibt eines, das wir alle wollen: erkunden!

Wir beginnen über die Traditionen Zuhause nachzudenken. Wir vergessen sie. Wir beginnen unsere eigene Sprache zu vergessen und erinnern uns nur noch an die Wörter unserer neuen Sprache. Wir sind glücklich. Wir sind traurig. Wir sind deprimiert. Wir sind euphorisch. Wir lieben eine gesunde Dosis an Wissen und eine ungesunde Dosis an Essen. Bei uns gibt es glückliche „Hallo“s genauso wie tränenerfüllte „Auf Wiedersehen“.

Wir wissen, was wir wollen. Wir haben keine Ahnung, wie wir es genau wollen. Wir haben keine Ahnung, wo wir es wollen. Wir haben keine Ahnung, wie wir es bekommen werden. Aber wir wissen, dass wir es bekommen werden. Wir sind Wanderer. Wir sind Reisende. Wir sind alles, was wir glauben zu sein. Wir sprechen mit Fremden. Wir essen Dinge, die unserer Definition von „Essen“ nicht einmal nahe kommen. Wir leben.

Ein Austausch ist nicht etwas, das man verstehen kann, denn es kann nicht definiert werden. Es kann nur erlebt werden. Wir können dir sagen „Oh, ein Austausch ist diese wahnsinnig coole Sache, bei der du ein Jahr lang in ein fremdes Land gehst und dort Sprache und Kultur kennenlernst.“ In meinen Augen jedoch kommt das einem Austausch nicht gerecht. Es ist mehr, viel mehr als das. Es ist schwieriger als in eine neue Stadt zu ziehen. Aber mehr Wert als alles Geld der Welt. Ein Austausch ist nicht ein Jahr in einem Leben, sondern ein Leben in einem Jahr.

Jay Rhoden, Austauschschüler 2013-2014

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